Filterkaffee – die, unter den Deutschen bis heute, gängigste Art Kaffee zu Hause und im Büro zu trinken. Klassisch und doch in den letzten Jahren geschmacklich sehr in Verruf geraten. Viele Gewohnheitstrinker sehen darin ein schwarzes, koffeinhaltiges Getränk, welches man stundenlang in einer Thermoskanne warmhalten und mit viel Milch und Zucker genießen kann.
Praktisch … ABER Filterkaffee kann so viel mehr. Seit Jahren geht der Trend in der Speciality Coffee Szene zurück zum klassischen, handgefilterten Kaffee. Warum? Weil guter Filterkaffee ein wahnsinns Erlebnis ist. Sowohl in puncto Aromenvielfalt, als auch dank seiner entschleunigenden Wirkung. Schon bei der Vorstellung, wie man langsam, mit kleinen Kreisbewegungen eine Chemex aufgießt und dabei beobachtet, wie sich das heiße Wasser mit dem Kaffee verbindet, tickt die Uhr im hektischen Alltag gleich etwas langsamer.
Damit beim Filtern richtig guter Kaffee entsteht, braucht es jedoch mehr oder weniger komplizierte Abläufe, Reaktionen und Methoden. Die gute Nachricht daran: Man braucht sie nicht alle kennen, um guten Kaffee machen zu können. In diesem Artikel geht es daher auch erstmal nur um die Basics.
Was zeichnet guten Filterkaffee aus?
Wasser:
Filterkaffee besteht zu über 98% aus Wasser. Heißt: Schmeckt das Wasser nicht, kann der Kaffee auch nicht schmecken. Wasser, das einen sehr dominanten Eigengeschmack mit sich bringt, z.B. durch Spuren von Chlor, verdirbt das Kaffeearoma. Auch Wasser, welches einen zu hohen bzw. zu niedrigen Härtegrad besitzt, beeinflusst den Kaffeegeschmack enorm. Zu hartes Wasser lässt den Kaffee stumpf und langweilig wirken. Weiches Wasser begünstigt Säuren, die sich ebenfalls störend auf das Geschmacksbild auswirken können. Optimalerweise verwendet man frisches, leicht mineralisiertes Wasser, mit einem Härtegrad zwischen 4-8°dH. Wie kommt man an solches Wasser? Dafür gibt es verschiedenste Wege. Eine relativ simple Lösung liegt darin, in einen Handwasserfilter – z.B. von Britta oder BWT – zu investieren.
Nicht nur die Wasserqualität spielt beim Kaffee Extrahieren eine wichtige Rolle, sondern auch die Brühtemperatur. Überbrüht man Kaffee mit kochend heißem Wasser, löst man unangenehme Bitterstoffe. Brüht man im Gegensatz mit zu kaltem Wasser auf, entfalten sich störende Säuren. (Ruhig mal ausprobieren. Ihr werdet definitiv den Unterschied schmecken.) Konkret heißt das, man sollte versuchen mit einer Wassertemperatur zwischen 88°C und 96°C zu arbeiten. Dazu das Wasser aufkochen und anschließend kurz warten (ca. 1 min) bis es auf die richtige Temperatur abgekühlt ist.
Brühverhältnis
Darunter versteht man das richtige Zusammenspiel aus Kaffee- und Wassermenge. Man liest häufig von einem Brühverhältnis, das idealerweise bei 1:15 bis 1:17 liegt, abhängig von der gewählten Filtermethode. Was bedeutet das? Entscheidet man sich zum Beispiel für ein 1:16 Verhältnis (mittelkräftig) und verwendet 20g Kaffeemehl, wird dazu eine Wassermenge von 20g*16 = 320g empfohlen. Dagegen bräuchte man bei dem gleichen Verhältnis für eine Wassermenge von 500ml eine Kaffeemenge von 500:16=31g. Aus der Zusammensetzung des Verhältnisses resultiert, dass ein 1:15 gebrühter Kaffee kräftiger schmecken wird, als einer mit einem Brühverhältnis von 1:17. Wichtig: Bei größeren Brühvorgängen wird automatisch auch mit einem größeren Brühverhältnis gerechnet (kein linearer Zusammenhang) und um zum optimalen Ergebnis zu kommen, müssen die Brühverhältnisse auch ganz individuell an die Kaffeesorte und Zubereitungsart angepasst werden.
Mahlgrad
Umso frischer der Kaffee vermahlen ist, umso mehr Aromen lassen sich in dem aufgebrühten Kaffee entdecken. Durch die mittlere bis grobe Mahlung werden jedoch wesentlich weniger Aromen und Gase – wie bei Espresso – an die Umgebung abgegeben, weshalb es auch nicht ganz so tragisch ist den Kaffee bereits in seiner Rösterei vor Ort auf die passende Zubereitungsart vormahlen zu lassen.
Achtung: Je nachdem für welche Filtermethode man sich entscheidet, ist es für eine gute Filterung wichtig den passenden Mahlgrad zu wählen. Zum Beispiel muss der Kaffee für eine Stempelkanne wesentlich gröber vermahlen sein als für einen Tassenfilter. Würde man für beide Methoden den gleichen Mahlgrad wählen, so würde die Stempelkanne, mit ihrem doch etwas gröberen Metallfilter, nicht gut genug filtern und der Kaffee aus dem Handfilter wäre dagegen unterextrahiert.
Blooming
Das Ausatmen des Kaffees. Durch chemische Reaktionen beim Rösten nimmt die Bohne CO2 auf. Überbrüht man sie mit heißem Wasser beschleunigt man den Prozess, in dem dieses und andere flüchtige Gase – abgespeichert in unserem Unterbewusstsein als typischer Kaffeegeruch – an die Umgebung abgeben werden. Der Kaffee quillt auf und fängt an – wie der Mensch – CO2 „auszuatmen“. Umso frischer der Kaffee ist, umso reaktiver läuft dieses Phänomen ab. Dabei bildet sich im ersten Moment eine CO2-Gasblase um die einzelnen Kaffeepartikel und erschwert die Verbindung zwischen Wasser und Kaffee. Weniger Aromen werden gelöst. Um dieses Problem zu umgehen, führt man das blooming ein. Das bedeutet nichts anderes, als den Kaffee gleichmäßig zu befeuchten und kurz zu warten, bevor man das restliche Wasser aufgießt. Als Faustregel gilt: Mit etwa der doppelten Wassermenge wie Kaffeemehl den Kaffee anbloomen, ca. 30s warten und anschließend den ganz normalen Brühvorgang fortführen.
Kontaktzeit
Die Kontaktzeit setzt sich zusammen aus der Blooming-Phase und dem weiteren Aufbrühvorgang. Wird der Kaffee zu lange extrahiert wird er unangenehm bitter und zu stark. Wird er zu kurz extrahiert schmeckt er oft wässrig und es haben sich unangenehme Säuren gelöst. Die Kontaktzeit kann von Filtermethode zu Filtermethode sehr stark variieren. Dennoch sollte sie sich in einem Rahmen von 2:30 min und 5 min bewegen (genaue Angaben findet Ihr bei den einzelnen Zubereitungsmethoden). Läuft der Kaffee zu langsam oder zu schnell kann man dies meist entweder über den Mahlgrad oder die Bohnenmenge optimieren. Meint man mit dem richtigen Brühverhältnis zu arbeiten passt man daher ganz einfach den Mahlgrad an.
Wasser, Brühverhältnis, Mahlgrad, Blooming, Kontaktzeit, … Alles Indizien für guten Filterkaffee. Diese step by step bei der Zubereitung des nächsten Filterkaffees zu beachten, wird Euch definitiv ein Erfolgserlebnis liefern – vorausgesetzt Ihr verwendet auch ordentlichen Kaffee. Für alle, denen das Ganze für die erste Tagesaktion beim morgendlichen Kaffeebrühen zu viel ist eine gute Nachricht: über 50% des Kaffeegeschmacks ist abhängig von der Wasserqualität und dem verwendetet Röstkaffee. Für alle diejenigen, die die 100% anstreben, probiert Euch durch die Welt der Brühverhältnisse, Temperaturen und Mahlgradvarianzen. Viel Spaß beim Meditieren. 🙂
Der Inhalt dieses Textes entstand durch viel Experimentierfreude gespickt mit Wissen aus diesen beiden Büchern
Hoffmann 2018 – Easto und Willhoff 2017
Literaturverzeichnis
Easto, Jessica; Willhoff, Andreas (2017): Craft coffee. A manual : brewing a better cup at home. First edition. Chicago: Surrey Books, an Agate Imprint.
Hoffmann, James (2018): The world atlas of coffee. From beans to brewing : coffees explored, explained and enjoyed. Second edition. Buffalo, New York, Richmond Hill, Ontario: Firefly Books.